BGH zur Erwerbsobliegenheit eines selbstständigen Schuldners

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 12.10.2023 Az.: IX ZR 162/22) mit der Pflicht eines selbstständigen Schuldners zur Abführung eines Verdienstes befasst.

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BGH: Erwerbs-obliegenheit
eines selbst-ständigen Schuldners

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 12.10.2023 Az.: IX ZR 162/22) mit der Pflicht eines selbstständigen Schuldners zur Abführung eines Verdienstes befasst.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte der klagende Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit des bereits seit Jahren unter ALS leidenden Schuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Der Kläger verlangte vom Beklagten in der Folgezeit Zahlungen nach § 295 Abs. 2 InsO mit einer Gesamthöhe von ca. 11.200,00 €. Diese Summe ergebe sich aus der Berechnung der pfändbaren Einkommensanteile einer fiktiven abhängigen Beschäftigung. Wenn der Beklagte anstelle der freiberuflichen Tätigkeit eine angestellte Tätigkeit vorgenommen hätte, wären pfändbare Gehaltsanteile in der vorstehenden Größenordnung abzuführen gewesen. Der Beklagte machte widerklagend einen Betrag von rund 26.000,00 € aus Beratungsdienstleistungen für die Masse geltend.

Der BGH gab der Revision des Klägers statt, hob das Berufungsurteil insoweit auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück. Er führte zur Begründung aus, dass bei einer Freigabe der selbstständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 InsO a.F. gegenüber der Masse die Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO a.F. bestehe. Für einen Schuldner, der dem regulären Arbeitsmarkt wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände nicht zur Verfügung stehe oder stehen könne, habe dies zur Folge, dass er nicht gegen die Erwerbsobliegenheit verstoße, wenn er keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und daher auch keine Zahlungen leisten könne. Übe der Schuldner wie im vorliegenden Fall aber gleichwohl eine selbstständige Tätigkeit aus und sei er somit überobligatorisch tätig, so entspreche es der Zielrichtung des § 35 InsO, die Gläubiger an diesen Einkünften und Gewinnen teilhaben zu lassen.

Die Entscheidung ist vollumfänglich zu begrüßen. Es erschließt sich nicht, wieso ein Schuldner, der durch die von ihm ausgeübte Tätigkeit tatsächlich unter Beweis stellt, dass er zur Arbeitsleistung (wenn auch nur teilweise) im Stande ist, gegenüber einem regulär angestellt tätigen Schuldner privilegiert sein sollte.

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